Der Biotech-Campus Mainz - eine Jahrhundertchance?

Die Fläche des geplanten Biotech-Hubs wird von der Saarstraße, Hochschulerweiterungsgelände und Hochschule, dem Stadionparkplatz und der Bahnlinie Mainz-Alzey begrenzt: 51 ha.  (privat)

Als wir im November 2021 fragten, ob 2021 der letzte kühle Mainzer Sommer war, wussten wir noch nichts von den Plänen der Stadt Mainz, hinter dem Uni-Erweiterungsgelände ein weiteres Gewerbegebiet zu bauen, einen Campus für Biotechnologie. Während sich auf dem Uni-Erweiterungsgelände laut Bebauungs-Plan nur hochschulnahes Gewerbe ansiedeln soll, ist dieses Gelände dann verfügbar für freie Wirtschaftsunternehmen, Start-ups usw.

Wir haben keine grundsätzlichen Einwände gegen Biotech-Ansiedlungen, wir sehen, dass Biotechnologie ein wichtiger Faktor ist.

Wir haben allerdings sehr entschieden etwas dagegen, die sogenannte Bretzenheimer Ebene weiter zu versiegeln. Wir sind nicht ewiggestrig oder weltfremd, wie uns in der lokalen Presse vorgeworfen wurde, sondern wir denken an morgen, an nächste Generationen, die in dieser immer heißer werdenden Stadt leben sollen.

Die geplante Fläche ist ca. 51 ha groß, davon sollen ca. 21 ha überbaut werden. Der Rest soll für die Außenanlagen zur Verfügung stehen. Die Gebäude sollen nach höchsten ökologischen Standards gebaut werden

Als im Februar 2022 der Ukraine-Krieg begann, wurde von allen Seiten betont, wir müssten unabhängiger z.B. von Nahrungsmittelimporten werden. Der Grund und Boden, auf dem der Biotech-Campus entstehen soll, ist wertvoller Ackerboden (höchste Gütequalität), dort ist ein wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet, dort leben vom Aussterben bedrohte Tiere wie das Rebhuhn, die Feldlerche und der Feldhamster. Durch Baumaßnahmen wie die geplante werden die Lebensräume dieser Tiere immer weiter eingeschränkt, was eine zusätzliche Bedrohung für sie bedeutet. Auch der Boden als solcher erfüllt wichtige Funktionen, ist er doch CO2-Speicher, Wasserspeicher und Lebensraum für Milliarden kleiner und kleinster Bodenlebewesen, die für Humusentstehung sorgen und damit auch klimarelevant sind. Das häufig erwähnte Insektensterben findet auch im Boden statt! Einmal versiegelter Boden braucht nach seiner Entsiegelung Hunderte von Jahren, bis er sich regeneriert hat. 

Für diese Fläche wurde ein Ideenwettbwerb ausgeschrieben. Wir fragen: wurde vorher ergebnisoffen nach alternativen Flächen gesucht? Warum "schlägt" der Campus-Gedanke den Umweltschutzgedanken?

Wir fordern daher (gemeinsam mit zahlreichen anderen Mainzer Umweltgruppen):

  • Erhalt und Erweiterung der Kaltluftentstehungsgebiete sowie der Grundwassererneuerungs­gebiete
  • Keine Verringerung der Kaltluftzufuhr durch Neuversiegelung in den Kaltluftentstehungsgebieten und Frischluftschneisen
  • Erhalt großflächiger, wertvoller und fruchtbarer Ackerflächen
  • Vollumfängliche Berücksichtigung des Artenschutzes
  • Ergebnisoffene Betrachtung von Alternativstandorten, z.B. Prüfung bereits versiegelter Gebiete, Erwägung regionsübergreifender Konzepte sowie ein Standortmanagement für Leerstand, damit Innenstadtkonzepte in die Betrachtungen einbezogen werden können
  • Kein Abwägen von Klimabelangen in Bezug auf andere Interessen (z.B. den Wunsch nach einem zusammenhängenden Biotech-Campus)
  • Vollständige Umsetzung des Koalitionsvertrags in den Bereichen Klimaschutz und Ökologie
  • Frühzeitige und vollumfängliche Beteiligung der Stadtgesellschaft

Ja, die Erschließung von Gewerbegebieten für Biotechnologie ist eine Jahrhundertchance für Mainz: endlich konsequenten Klimaschutz zu denken und umzusetzen und keine weiteren unversiegelten Flächen mit Gewerbegebieten oder gar neuen Stadtteilen zu bebauen, sondern bereits versiegelte Flächen nach höchsten ökologischen Standards zu bebauen. Davon ist die Stadt Mainz nach unserem Eindruck noch weit entfernt. 

 (privat)

(Stand: Anfang 2023)

Weiterführende Links

Allgemeine Informationen:

Modellbasierte Analyse des Stadtklimas als Grundlage für die Klimaanpassung am Beispiel von Wiesbaden und Mainz (KLIMPRAX Wiesbaden/Mainz), Berichte des Deutschen Wetterdienstes 249 (2017 (pdf, 10,3 MB)

Landschaftsplan der Stadt Mainz (2015) (pdf, 18,8 MB)

Kartendienste:

Stadt Mainz: Stadtplan (Straßensuche, Luftbilder sowie diverse Fachkarten)

Geoportal der Naturschutzverwaltung Rheinland-Pfalz (Schutzgebiete, Biotope, Artennachweise etc.)

Artenfinder Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz

Landesamt für Geologie und Bergbau (Bodeneigenschaften und Funktionen u.v.a.m.

Informationen über das geplante Biotech-Gelände:

Stadt Mainz: Städtebauliche Strategie "Biotechnologie-Standort Mainz" (Webseite)

ZBM (Zentrale Beteiligungsgesellschaft der Stadt Mainz mbH): Biotech-Mainz (Webseite)

Ökoplana: Klimaexpertise zur Ersteinschätzung der klimaökologischen Verträglichkeit einer städtebaulichen Entwicklung entlang der Saarstraße in der LH Mainz (pdf, 3.2 MB)

Presseberichte (Auswahl):

sensor-magazin: Biotech-Standort Mainz: 30 Hektar stadtauswärts verplant (19.05.2022 (Webseite)

Allgemeine Zeitung: Der Mainzer Biotech-Campus: Hemmnisse und K.-o.-Kri­te­ri­en (13.07.2022) (Webseite, Bezahlschranke)

Allgemeine Zeitung: Kritik an Biotech-Pläne: Was sagen die Naturschützer? (12.08.2022) (Webseite, Bezahlschranke)

sensor-magazin: Bagger rollen für Biotech-Campus / Umweltgruppen protestieren (31.10. 2022 (Webseite)

SWR aktuell, Textmeldung: Umweltverbände kritisieren Mainzer Pläne für Biotech-Areal (15.11.2022) (Webseite)

Allgemeine Zeitung: Initiativen wollen Biotech-Campus an Saarstraße verhindern (15.11.2022) (Webseite)

Allgemeine Zeitung: Kommentar zum Biotech-Campus: Chance nutzen (15.11.2022) (Webseite, Bezahlschranke)

F.A.Z.: Bausünden gibt es schon mehr als genug (17.11.2022) (Webseite)

Allgemeine Zeitung: Neue Gesellschaft soll Biotechnologie in Mainz vorantreiben (24.11.2022) (Webseite)

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